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Vom Erblasser verstecktes Bargeld erst Jahre später gefunden – wem gehört es?
Die Medien berichten es laufend: In der Pandemie legen die Bundesbürger immer mehr Geld auf die hohe Kante. Und die Banken und Sparkassen würden zwar gerne mit dem Geld ihrer Kunden arbeiten, können es sich aber betriebswirtschaftlich nicht leisten, es unentgeltlich entgegenzunehmen, geschweige denn, wie in der guten alten Zeit die Sparer mit Zinsen zu belohnen. Was liegt da aus der Sicht sparsamer Erblasser näher, als das Geld in der eigenen Wohnung zu verstecken?
Die bekannte Zuckerdose hat als Versteck längst ausgedient, sie reicht angesichts der gestiegenen Bargeldbestände ohnehin nicht mehr aus. Geldscheine auf die Wand zu tapezieren und dann hinter normaler Tapete zu verstecken, ist recht aufwendig und setzt schon gesteigerte handwerkliche Fähigkeiten voraus. Und so setzt manch ein Erblasser auf vom Handel angebotene, recht preiswerte Lösungen wie Bücher- oder Steckdosenattrappen. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass ein gutes Versteck vor Einbrechern schützt, aber eine dumme Situation entsteht, wenn es auch der Erbe nicht findet und es erst Jahre später entdeckt wird. Wem steht das Geld in einem solchen Fall zu, dem Finder oder dem Erben? Mit dieser Frage hatte sich das Amtsgericht München mit dem Urteil vom 04.12.2020 zu beschäftigen.
2016 entdeckte eine Frau in ihrer Wohnung hinter einer Steckdosenattrappe rund 80.000 Euro. Die übergab den Geldbetrag der Polizei, die ihn an das Fundbüro der Stadt München weiterreichte.
Einer weit verbreiteten Meinung zufolge darf man die Dinge, die man gefunden hat, behalten und erwirbt sogar das Eigentum daran, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde der ehemalige Eigentümer der verlorenen Sache nicht meldet. So verhielt es sich hier. Trotzdem gab das Fundbüro den Geldbetrag nicht heraus. Vielmehr war es der Ansicht, der Fundbetrag gehöre in den Nachlass des verstorbenen Vormieters, für den durch das Amtsgericht eine Nachlasspflegerin bestellt worden war. Dieser wurde das Geld übergeben. Erben konnten bislang noch nicht ermittelt werden. Hiergegen klagte die Finderin – und verlor den Prozess.
Die Begründung ist so einfach wie zutreffend: Versteckt ist eben nicht verloren. Wenn ich eine Sache verliere, weiß ich nicht (mehr), wo sie sich befindet. Ich kann keine Sachherrschaft mehr über sie ausüben. Bei einem Versteck in einer Steckdosenattrappe der eigenen Wohnung hingegen ist das anders. Da der Erblasser noch in der Wohnung verstarb, kann nicht von einer Besitzaufgabe gesprochen werden, weshalb gemäß § 857 BGB diese Besitzstellung im Erbfall auf die Erben überging.
Die tatsächliche Gewalt im Herrschaftsbereich zu definieren ist aber nicht immer einfach und die Grenzen von Besitz bis zum eindeutigen Besitzverlust scheinen oft schwammig. Hier kam man zu dem Ergebnis, dass der Vormieter den Besitz wohl erst verlieren würde, wenn dieser auch gleichzeitig den Besitz am Herrschaftsbereich, also seiner Wohnung, aufgegeben hätte. Wie immer im Recht heißt es also: Ganz genau hinzuschauen. Wäre der Erblasser nicht in seiner Wohnung verstorben, sondern hätte er beispielsweise einen Schlaganfall erlitten, wäre anschließend nach krankenhausärztlicher Behandlung in ein Pflegeheim gekommen und nach einiger Zeit dort verstorben, wäre die Situation schon wieder ganz anders zu beurteilen.
Praxishinweis:
Was kann nun aber ein Erbe (oder ein Testamentsvollstrecker) tun, wenn er Hinweise darauf hat, dass größere Bargeldbestände durch den Erblasser versteckt worden sind. Auf Verdacht alle Tapeten von den Wänden zu reißen, ist sicherlich keine Lösung. Der erste Schritt ist sicher genaues Hinschauen, aber auch Abwägen, was von entsprechenden Berichten Dritter über die Versteckfreundlichkeit eines Erblassers wirklich zu halten ist. Gibt es dann genügend Anlass, an verstecktes Bargeld zu denken, bietet sich der Einsatz von Geldsuchhunden an. Was bei der Zollfahndung gang und gäbe ist, kann sich auch der Erbe zunutze machen. Entsprechende Angebote lassen sich über das Internet recherchieren. Und es gibt etliche Videos, die diese Freunde der Menschen in Aktion zeigen.
Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Testamentsvollstrecker (AGT) mit freundlicher Unterstützung von Michelle Schwarz, Rechtspraktikantin