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Betriebliches Eingliederungsmanagement

Bundesarbeitsgericht: Vor Kündigung wegen Krankheit ist (erneutes) bEM erforderlich

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem am 1. Februar 2022 veröffentlichten Urteil klargestellt, dass vor der Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Krankheit ein betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: bEM) durchzuführen ist. Sind seit dem letzten bEM erneut mindestens 6 Wochen Krankheit aufgelaufen, muss das bEM wiederholt werden. Eine ohne erneutes bEM ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dies folge aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Das Urteil selbst stammt vom 18.11.2021 – Aktenzeichen 2 AZR 138/21. 

Das bEM ist in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelt und verpflichtet den Arbeitgeber, jedem Arbeitnehmer, der binnen eines Jahres länger als 6 Wochen arbeitsunfähig ist, ein so genanntes betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Damit soll ermittelt werden, warum der Arbeitnehmer so häufig oder so lange arbeitsunfähig war und wie man künftige Erkrankungen verhindern oder jedenfalls verringern kann. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, an einem bEM teilzunehmen. Jedoch ist das Unterlassen des Versuchs eines bEM für den Arbeitgeber ein Kündigungshindernis im Sinne von § 1 KSchG. 

Einem Arbeitgeber, der trotz weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bereits durchgeführten bEM kein neuerliches bEM angeboten hat, steht jedoch die Möglichkeit offen, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass auch ein neuerliches bEM schon deshalb kein positives Ergebnis erbracht hätte, weil bereits das vorherige keines ergeben hat und keine relevanten Veränderungen gegenüber dem für den Suchprozess des vorherigen bEM maßgeblichen Stand der Dinge eingetreten sind. Bleiben diese Behauptungen jedoch unbewiesen, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.

Die bEM-Regelungen gelten auch in Kleinbetrieben. Beschäftigt der Arbeitgeber im Betrieb aber nicht mehr als 10 Personen, besteht ohnehin kein Kündigungsschutz. Dann schadet auch das Unterlassen eines bEM nichts. 

Mitbestimmung des Betriebsrates bei Rentner-Beschäftigung

Die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Rentenaltersgrenze hinaus bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit nun veröffentlichter Entscheidung vom 22.9.2021 entschieden, dass der Betriebsrat beim Hinausschieben des Beendigungstermins über das Erreichen des Rentenalters hinaus ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat (Aktenzeichen 7 ABR 22/20). 

Nach dem für die Arbeitgeberinnen geltenden Tarifvertrag endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der/die Arbeitnehmer/-in das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat. Seit Inkrafttreten des § 41 Satz 3 SGB VI werden in dem Betrieb der Arbeitgeberinnen fünf- bis zehnmal jährlich Vereinbarungen nach dieser Vorschrift geschlossen. Der Betriebsrat wird hierüber lediglich informiert. So wurde dem Betriebsrat mit Schreiben vom 8. April 2019 mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis des Herrn K, das nach dem anwendbaren Tarifvertrag wegen Vorliegens der Voraussetzungen für den Bezug der gesetzlichen Regelaltersrente mit Ablauf des 31. Mai 2019 geendet hätte, auf seinen Wunsch gemäß § 41 Satz 3 SGB VI bis zum 31. Mai 2020 fortgesetzt wird.

Dies beanstandete der Betriebsrat, sah in der Weiterbeschäftigung des Herrn K über die tarifliche Altersgrenze hinaus eine zustimmungspflichtige Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG und beantragte beim Arbeitsgericht, den Arbeitgeberinnen die Aufhebung der Beschäftigung des Herrn K aufzugeben und sie durch Zwangsgeld zur Befolgung der gerichtlichen Anordnung anzuhalten. 

Anders als die Vorinstanzen bestätigt das BAG das Bestehen des Mitbestimmungsrechts „Einstellung eines Arbeitnehmers“ für den Fall der einvernehmlichen Verlängerung über die Altersgrenze hinaus. 

Das BAG verweist auf seine bisherige und ständige Rechtsprechung zu befristeten Arbeitsverhältnissen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Einstellungen nach § 99 BetrVG greife nicht nur bei der ersten Einstellung des Arbeitnehmers, sondern bei jeder Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Nichts anderes gelte vorliegend in Bezug auf die tarifvertragliche Altersgrenze. Werde diese durch Vereinbarung außer Kraft gesetzt, so komme dies einer Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses gleich. 

Dies ist angesichts der Rechtsprechung des BAG folgerichtig und künftig auch bei der Rentnerbeschäftigung zu beachten. 

Schon wieder: Arbeitgebertrauma Massenentlassung – keine Abschrift der Einleitung des Konsultationsverfahren an Arbeitsagentur übermittelt.

Beabsichtigt der Arbeitgeber eine größere Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen, sog. Massenentlassung, muss er einerseits mit dem Betriebsrat das sog. Konsultationsverfahren durchführen und andererseits vor Ausspruch von Kündigungen diese Massenentlassung der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen. Kaum ein Thema beschäftigt die arbeitsrechtliche Praxis im Zusammenhang mit Massenentlassungen so, wie die ordnungsgemäße Durchführung des Anzeige- und Konsultationsverfahrens. Dies belegen dutzende arbeitsgerichtliche Entscheidungen der jüngeren Zeit. Es ist ein arbeitsrechtliches Minenfeld für Arbeitgeber.

Die gesetzlichen Bestimmungen finden sich in vor allem §§ 17, 18 KSchG. Es gibt aber auch noch die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL). Dies bedeutet, dass die deutschen Rechtsvorschriften in Zweifelsfällen europarechtskonform auszulegen sind. 

So auch in dem Fall, den das Bundesarbeitsgericht am 27.1.2022 zur Verhandlung vorliegen hatte (Aktenzeichen: 6 AZR 155/21). Wie oft bei Massenentlassungen ist Beklagter ein Insolvenzverwalter. Nach Beschussfassung über die vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin entschloss sich der Insolvenzverwalter zur Kündigung der zuletzt noch bestehenden 195 Arbeitsverhältnisse. Mit dem Betriebsrat fanden Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs sowie eines Sozialplans statt. In Verbindung mit dem Interessenausgleichsverfahren wurde auch das im Falle einer Massenentlassung erforderliche Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt.

Zwar wurde der zuständigen Agentur für Arbeit vor Ausspruch der Kündigungen die Massenentlassung angezeigt. Jedoch wurde – ob bewusst oder unbewusst – entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG dabei keine Abschrift der das Konsultationsverfahren einleitenden und an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung über die Massenentlassungen übermittelt. Nachdem der Insolvenzverwalter die Kündigungen ausgesprochen hatte, klagten Arbeitnehmer. Zunächst in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall auch nicht entschieden. Es hat aber dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage zur Beantwortung vorgelegt, welche Sanktion ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nach sich zieht. Konkret geht es um die Frage, welchem Zweck die Übermittlungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL dient. Hiervon hängt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ab, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der unionsrechtskonform in gleicher Weise wie Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL auszulegen ist, ebenso wie andere, den Arbeitnehmerschutz – zumindest auch – bezweckende Vorschriften im Massenentlassungsverfahren als Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB anzusehen ist. In diesem Fall wäre die Kündigung unwirksam.

Bis diese Frage durch den EuGH beantwortet und dann der Fall vom Bundesarbeitsgericht entschieden ist, wird einige Zeit vergehen. Eine Hängepartie für beide Seiten – Arbeitgeber, wie Arbeitnehmer. Es zeigt sich: Man kann manchmal nicht genau genug sein. Kleinste formale Fehler können bei Kündigungen fatale Auswirkungen haben.

Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten Sie gern: 0228/60414-25!

 

Thomas Regh
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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thomas.regh@huemmerich-legal.de

Arbeitszeugnis – Undank ist der Welten Lohn! Arbeitgeber muss keinen Dank und kein Bedauern ausdrücken!

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25.1.2022, Aktenzeichen 9 AZR 146/21) hat seine bisherige Rechtsprechung abermals bestätigt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Arbeitszeugnis durch eine sog. Schlussformel sein Bedauern über das Ausscheiden, seinen Dank für die geleistete Arbeit und gute Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck zu bringen.

Typischerweise enden Arbeitszeugnisse mit einer Schlussformel, die in unterschiedlicher Ausprägung Bedauern, Dank und Zukunftswünsche zum Ausdruck bringt. Das Fehlen einer Schlussformulierung wird überwiegend als Entwertung des Arbeitszeugnisses angesehen. Nach einer im Mai 2011 an der Universität Nürnberg-Erlangen durchgeführten Studie enthielten 98% der untersuchten Zeugnisse eine Schlussfloskel (dazu Düwell/Dahl NZA 2011, Seite 958).

Trotz dieses Befundes und verschiedenen Versuchen von einigen Landesarbeitsgerichten eine Rechtsprechungsänderung herbeizuführen, bleibt das Bundesarbeitsgericht bei seiner Rechtsprechung und lehnt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung einer Schlussformel ab (so schon BAG Urteil vom 11.12.2012, Aktenzeichen 9 AZR 227/11; Urteil vom 20.2.2001, Aktenzeichen 9 AZR 44/00).

Umso wichtiger ist es aus Arbeitsnehmersicht, diesem Aspekt ausreichend Augenmerk zu schenken. Insbesondere im Rahmen von Aufhebungsvertragsverhandlungen oder Verhandlungen über einen arbeitsgerichtlichen Vergleich in einem Kündigungsschutzverfahren muss unbedingt auf die Formulierung des Zeugnisses geachtet werden und eine Schlussformel durchgesetzt werden.

Unsere Arbeitsrechtsexperten haben jahrzehntelange Erfahrung und wissen, wie man das richtig macht. Rufen Sie an: 0228/60414-25!

 

Thomas Regh
Fachanwalt für Arbeitsrecht
0228/60414-25
thomas.regh@huemmerich-legal.de

 

Anspruch auf Homeoffice – Kommt er doch?

Es scheint so, als ob der alte und neue Bundesarbeitsminister für sich freie Bahn sieht, Projekte, die er in der großen Koalition nicht umsetzen konnte, nun „endlich“ umsetzen zu können. Ein Projekt:  Der Anspruch auf Homeoffice.

Pressemitteilungen zur Folge plant Bundesarbeitsminister Heil einen Rechtsanspruch auf Homeoffice einzuführen. Diesen Anspruch soll der Arbeitgeber nur ablehnen können, wenn (zwingende) betriebliche Gründe der Arbeit von zu Hause entgegenstehen. Als Beispiel wird zitiert, dass die Arbeit im Stahlwerk am Hochofen nicht von zu Hause aus erledigt werden kann. Fehlen betriebliche Gründe, soll der Anspruch im Homeoffice zu arbeiten gelten.

Die Verwendung des Begriffs der betrieblichen Gründe findet sich verschiedentlich in anderen Gesetzen, etwa bei der Ablehnung von Teilzeitbegehren nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz oder dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Der Arbeitgeber kann Teilzeitanträge nur aus betrieblichen bzw. dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. In der Praxis sind das regelmäßig recht hohe Hürden für Arbeitgeber. Nicht verwunderlich ist es daher, dass arbeitgeberseitig Kritik an den Plänen geäußert wird. Es bleibt abzuwarten, wann und wie die Umsetzung erfolgen wird.

Wir beraten Sie in allen Fragen des Arbeitsrechts. Rufen Sie an: 0228/60414-25.