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Oberlandesgericht Bremen: Wieviel Bedarf darf es denn sein? Zur Frage des Unterhaltes eines Ehegatten bei sehr guten Einkommensverhältnissen

Bei der Berechnung eines Unterhaltsanspruches ist immer die Frage zu klären, welcher Bedarf gegeben ist, wie viel also der unterhaltsberechtigte Ehegatte zum Leben braucht.

Bei dieser Entscheidung ging es um die Frage, wie ein sehr gutes Einkommen eines Ehegatten beim Unterhalt der Ehegatten zu bewerten ist.

Dies ist bei normalen Einkommensverhältnissen nach dem sogenannten Halbteilungsgrundsatz zu beurteilen. Das gesamte Einkommen wird geteilt. Dabei wird einem Ehegatten, der erwerbstätig ist, ein bestimmter Anteil seines Einkommens zuvor belassen, so z.B. bei den Oberlandesgerichten Bremen, Köln, Düsseldorf, Hamburg, Hamm, Celle 1/7tel, bei den OLGs in Süddeutschland 1/10tel (Einzelheiten dazu sind nachzulesen in Ziffer 15 der jeweiligen Leitlinien der OLG; hier ein link zu den Leitlinien des OLG Köln: OLG Köln – Leitlinien zum Unterhalt). 

Wie aber sieht es aus, wenn die Einkommensverhältnisse nicht normal sind, also z.B. ein Ehegatte 15.000 € monatlich netto verdient? Dann muss konkret gerechnet werden, was der unterhaltsbegehrende Ehegatte tatsächlich benötigt. Es wird also eine Liste der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen zu erstellen sein. Die Frage aber ist: Wo zieht man die Grenze zwischen normalen und überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen? Dies ist nicht eindeutig geklärt.

Das OLG Bremen hat in einer Entscheidung vom 06.02.2015 diese Grenze mit rund 8.000,00 € monatlich bereinigtes Nettoeinkommen (ohne Berücksichtigung eines Wohnwertvorteils) bestimmt. Damit ist ein Anhaltspunkt gegeben, mit dem man arbeiten kann. Diese Entscheidung ist auch interessant im Hinblick auf die Auseinandersetzung des Gerichtes mit einzelnen Positionen (z.B. Kosten für Kultur, Sport, Restaurantbesuche etc.), wie sie immer aufgelistet werden. Man kann die Entscheidung damit auch als Anleitung für die Vorgehensweise und Auflistung von Bedarfspositionen sehen. Ob im jeweiligen Einzelfall die Entscheidung des Gerichtes angenehm ist, ist dabei eine andere Frage.

OLG Bremen, Beschluss vom 06.02.2015, Az.: 4 UF 38/14;

Rechtsanwalt Joachim Hermes, Fachanwalt Erbrecht; Fachanwalt Familienrecht

Veröffentlicht am 21.5.2015

Bundesgerichtshof: Zum Mietmangel wegen Lärmbelästigungen durch einen neuen Bolzplatz

<p>Wer ärgert sich nicht? Man hat eine nette Wohnung in einer friedlichen und ruhigen Gegend gefunden und gemietet. Der ruhige Lebensabend kann kommen. Dann eröffnet in der Nachbarschaft einige Jahre später ein Kindergarten oder es wird ein Bolzplatz eingerichtet. Hierzu hat der BGH nun ein grundlegendes Urteil gefällt.</p>

<p>Wird in der Nachbarschaft ein Kindergarten oder ein Bolzplatz eröffnet, ist es mit der Ruhe der Anwohner vorbei. Da man sich gegen diese Einrichtungen nicht mehr wehren kann, ist der Vermieter das nächste Ziel des Ärgers. Die Miete wird gemindert, da auch Lärm von außen ein Grund für eine Minderung sein kann (sog. Umweltmangel).</p> <p>Dem hat der BGH nun in gewissem Umfang einen Riegel vorgeschoben. Grundsätzlich gilt: Das Mietobjekt muss den Zustand haben, den die Parteien vereinbart haben. Nur weil eine Wohnung bei Anmietung schön ruhig gelegen ist, bedeutet dies aber nicht, dass damit auch vereinbart ist, dass sich dies in Zukunft nie ändern kann. Insbesondere dann, wenn der Vermieter auf eine normale Entwicklung keinen Einfluss nehmen kann und selbst auch keine rechtliche Handhabe gegen Beeinträchtigungen von außen hat, kommt eine Duldungspflicht des Mieters in Betracht. Mit anderen Worten: Es gibt keine Garantie, dass sich nie im Leben etwas ändert, auch nicht die ruhige Lage einer Wohnung.</p> <p>Im entschiedenen Fall war neben der Wohnung des Mieters Jahre später ein Bolzplatz eingerichtet worden, auf dem das Fußballspielen mit entsprechender Lärmentwicklung bis 18:00 h für Kinder bis 12 Jahre zulässig war. Dagegen konnte sich der Vermieter nicht wehren. Auch der Mieter musste daher, weil es keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung gab, wonach die ursprüngliche Ruhe im Mietobjekt für immer garantiert war, diese nachträglich entstandene Beeinträchtigung akzeptieren, konnte die Miete nicht mindern. Die einzige Frage, die in dem entschiedenen Fall offen war, war diejenige, ob der Lärm durch Kinder verursacht wurde, die älter als 12 Jahre alt waren. Dagegen könnte sich der Vermieter wehren, so dass auch der Mieter einen Anspruch darauf hätte, dass diese Beschränkung eingehalten wird. Wird diese Beschränkung nicht eingehalten, kann der Mieter die Miete mindern.</p> <p>BGH Urteil vom 29.04.2015, Az.: VIII ZR 197/14 (Pressemitteilung Nr. 72/2015 vom 29.04.2015) – <a href=“http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&amp;Art=pm&amp;Datum=2015&amp;Sort=3&amp;nr=70940&amp;pos=14&amp;anz=87″ target=“_blank“>BGH Pressemitteilung vom 29.4.2015 Nr. 72/15</a></p> <p>Rechtsanwalt Joachim Hermes, Fachanwalt Erbrecht; Fachanwalt Familienrecht</p> <p>Veröffentlicht am 21.5.2015</p>

Bundesarbeitsgericht: Anforderungen an eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

<p><strong>BAG Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13</strong></p><p>Ohne Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM – ist eine wirksame Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen praktisch ausgeschlossen. In dem nun veröffentlichten Urteil führt das BAG seine strenge Rechtsprechung konsequent fort.</p>

<p>In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt. Der Arbeitnehmer hatte wirklich sehr hohe Fehlzeiten, wenn man bedenkt, dass aufgrund von Urlaub, Feiertagen, Wochenenden usw. nicht mehr viele Arbeitstage verblieben sind. Der Kläger fehlte in den Jahren 2006 bis 2011 pro Jahr mindestens 59 und bis zu 125 Tage wegen Kurzerkrankungen.</p><p>Ein BEM wurde seitens des Arbeitgebers nicht eingeleitet. Statt dessen wurde der Kläger ohne BEM gekündigt.</p><p>Das BEM nach § 84 SGB IX ist – theoretisch – keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, die auf eine Erkrankung des Arbeitnehmers gestützt wird. Praktisch allerdings sehr wohl. </p><p>Das Bundesarbeitsgericht betont zwar nach wie vor, dass die Kündigung nicht an dem fehlenden BEM scheitert. Faktisch setzt der 2. Senat die Voraussetzungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers so hoch, dass eine wirksame Kündigung ohne vorheriges BEM praktisch unmöglich ist. Im Urteil heißt es hierzu (Randnummer 38): „Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden“.<a href=“http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&amp;Art=en&amp;Datum=2014-11-20&amp;nr=17992&amp;pos=2&amp;anz=3″ target=“_blank“>BAG Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13</a></p><p>Fazit: Will ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen häufiger oder längerer Arbeitsunfähigkeit kündigen, ist die vorherige Durchführung eines BEM unerlässlich. Lehnt der Arbeitnehmer dies ab, wirkt sich dies freilich nicht zu Lasten des Arbeitgebers aus. </p><p>Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer</p><p>Veröffentlicht am 21. Mai 2015</p>

Bundesarbeitsgericht – Keine Kürzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Elternzeit

Das BAG hat mit Urteil vom 19. Mai 2015 – Aktenzeichen 9 AZR 725/13 – einer Kürzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Ende der Elternzeit widersprochen. Der Arbeitgeber muss also zahlen, obwohl das Bundeselterngeld- und elternzeitgesetz eine Kürzung des Urlaub für volle Monate der Elternzeit erlaubt. Pressemitteilung des BAG Nr. 31/15

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist der Arbeitgeber berechtigt, den Erholungsurlaub für Arbeitnehmer in der Elternzeit für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Der Arbeitgeber kann dies, er muss dies aber nicht tun. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.5.2015 – 9 AZR 725/13 -) hat jetzt entschieden, dass eine solche Kürzungserklärung nicht mehr nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgen kann. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch, der ein reiner Geldanspruch ist. Nach Aufgabe der sogenannten Surrogatstheorie durch die Rechtsprechung weist dieser Geldanspruch keinen Bezug zum gesamten Urlaubsrecht mehr auf. Deswegen kann dieser Geldanspruch auch nicht mehr durch Ausübung eines Rechtes aufgrund einer urlaubsrechtlichen Regelung im Nachhinein gekürzt werden.

Für Arbeitgeber ist daher zukünftig wichtig, die Kürzungserklärung einmal zu Beginn der Elternzeit und zusätzlich zu Beginn jeden Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch für das laufende Jahr neu entsteht, gegenüber der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer in Elternzeit abzugeben.

Ob die gesetzliche Kürzungsregelung insgesamt mit Europäischem Recht vereinbar ist, hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Matthias Spirolke

– veröffentlicht am 19. Mai 2015 –

Europäischer Gerichtshof: Was ist ein Betrieb im Sinne der europäischen Massenentlassungsrichtlinie?

Mit Urteil vom 30. April 2015 hat der EuGH in der Rechtssache Union of Shop, Distributive and Allied Workers (USDAW) – C-80/14 den Begriff des Betriebs im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG klargestellt. Die Massentlassung betraf tausende von britischen Arbeitnehmern der Ladenketten Woolworth und Ethel Austin.

Der Gerichtshof hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal of England and Wales (Civil Division) nach Art. 267 AEUV zu entscheiden. Betroffen waren tausende Arbeitnehmer der beiden Ladenketten.

Nur bei Massenentlassung in einem Betrieb, die mindestens 20 betreffen, steht nach britischem Recht und Unionsrecht den Arbeitnehmern eine Entschädigung zu. Es stellte sich daher die Frage, ob die einzelnen Geschäfte, die meistens weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, als Betrieb anzusehen sind oder das Unternehmen selbst, das als juristische Einheit die Filialen führt. 

In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der EuGH, dass Betrieb im Sinne der Richtlinie über Massenentlassungen nicht das Unternehmen ist, sondern der Betrieb. Betrieb im Sinne dieser Richtlinie ist die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Ob die fragliche Einheit eine Leitung hat, die selbständig Massenentlassungen vornehmen kann, ist für die Definition des Begriffs „Betrieb“ nicht entscheidend.

Dies führt dazu, dass die Arbeitnehmer in kleinen Filialen leer ausgehen, wenn sie der vorstehenden Definition entsprechen. Ob dies jeweils der Fall ist, muss das vorlegenden nationale Gericht selbst beurteilen.

Der EuGH stellt klar, dass der Betriebsbegriff der Union von allen Mitgliedsstaaten einheitlich auszulegen ist. Der Gerichtshof betont, dass es den Mitgliedsstaaten frei steht, günstigere Rechtsvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer zu entlassen, was dem Günstigkeitsprinzip entspricht oder günstigere tarifliche Vorschriften zuzulassen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

Veröffentlicht am Tag der Arbeit, dem 1. Mai 2015

EuGH Urteil in der Rechtssache C-80/14