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Werbungskostenabzug für Abschiedsfeier zulässig
Ein Arbeitnehmer in leitender Position kann bei einem Wechsel des Arbeitgebers die Kosten einer Abschiedsfeier als Werbungskosten steuerlich absetzen. Dies entschied das Finanzgericht Münster in einer nun veröffentlichten Entscheidung. Aktenzeichen 4 K 3236/12 E. Urteil FG Münster vom 29.05.2015.
Kosten für Abschiedsfeier sind als Werbungskosten absetzbar
Der Entscheidung lag laut Pressemitteilung Nr. 8 des Finanzgerichts Münster vom 15.7.2015 folgender Sachverhalt zugrunde:
„Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und war mehrere Jahre als leitender Angestellter in einem Unternehmen tätig. Im Streitjahr wechselte der Kläger an eine Fachhochschule und nahm dort eine Lehrtätigkeit auf. Anlässlich seines Arbeitsplatzwechsels lud der Kläger Kollegen, Kunden, Lieferanten, Verbands- und Behördenvertreter sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung zu einem Abendessen in ein Hotelrestaurant ein. Die Einladungen stimmte der Kläger mit seinem bisherigen Arbeitgeber ab. Die Anmeldung für die Feier erfolgte über das bisherige Sekretariat des Klägers. Das Hotelrestaurant stellte für die Ausrichtung der Abschiedsfeier, an der ca. 100 Personen teilnahmen, rund 5.000 EUR in Rechnung, die der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machte. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung mit der Begründung ab, dass es sich um eine private Feier gehandelt habe.
Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster gab der hiergegen erhobenen Klage statt und ließ den Werbungskostenabzug in vollem Umfang zu. Nach Auffassung des Senats waren die Aufwendungen für die Abschiedsfeier durch die berufliche Tätigkeit des Klägers veranlasst. Der Anlass der Feier, der Arbeitgeberwechsel des Klägers, sei rein beruflicher Natur gewesen. Sämtliche Gäste des Klägers hätten aus seinem beruflichen Umfeld gestammt, private Freunde oder Angehörige habe der Kläger nicht eingeladen. Die ganz überwiegende Zahl der Gäste sei auch ohne Ehe- bzw. Lebenspartner eingeladen worden. Außerdem habe der Kläger seinen bisherigen Arbeitgeber in die Organisation der Feier eingebunden, indem er die Gästeliste mit diesem abgestimmt und sein bisheriges Sekretariat ihn bei der Organisation der Anmeldungen unterstützt habe. Der Umstand, dass die Feier abends stattgefunden habe, stehe einer beruflichen Veranlassung nicht entgegen. Auch die Höhe der Kosten der Feier von rund 50 EUR pro Person sei unter Berücksichtigung des Verdienstes und der beruflichen Stellung des Klägers nicht so hoch, als dass daraus eine private Veranlassung abgeleitet werden könne.“
Veröffentlicht am 16.7.2015
BVerfG: Mitbestimmung in einem Blutspendedienst
BVerfG, Entscheidung vom 30.04.2015 – 1 BvR 2274/12
Anwendbarkeit der Vorschriften des BetrVG über die betriebliche Mitbestimmung in einem karitativen Blutspendedienst
BVerfG Beschluss vom 30.04.2015 – 1 BvR 2274/12
Das gesetzliche Grundkonzept und der Geltungsbereich der betrieblichen Mitbestimmung werden von §§ 1 ff. BetrVG festgelegt. Modifikationen und Einschränkungen für einzelne Betriebsarten und Unternehmen finden sich sodann am Ende des Gesetzes in den §§ 114 – 118 BetrVG.
Vor diesem Hintergrund bewegt sich eine Gerichtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.04.2015 (Aktenzeichen: 1 BvR 2274/12). Ausgangspunkt dieser Entscheidung war die Verfassungsbeschwerde einer Arbeitgeberin, die einen als gemeinnützig anerkannten und den weltweiten Grundsätzen der Rotkreuz-Bewegung verpflichteten Blutspendedienst betreibt. Der wesentliche Unternehmenszweck dieses Blutspendedienstes ist die Förderung des Blutspendewesens und der Transfusionsmedizin. Die bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Arbeitnehmer werden deshalb insbesondere für die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und die Erbringung transfusionsmedizinischer Labor- und Serviceleistungen eingesetzt. Den Beschäftigten obliegt es, die Blutspenden medizinisch zu testen, aufzubereiten und danach entgeltlich an Ärzte und Krankenhäuser weiterzuleiten.
Zwischen den Parteien des Rechtsstreits war streitig, ob innerhalb des Unternehmens der Beschwerdeführerin ein so genannter Wirtschaftsausschuss gemäß § 106 BetrVG einzurichten ist. § 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG bestimmt, dass in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Die Anwendbarkeit der §§ 106 – 110 BetrVG ist jedoch nach § 118 Abs. 1 S. 2 BetrVG kraft Gesetzes ausgeschlossen für solche Betriebe und Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen. § 118 BetrVG privilegiert damit spezifische grundrechtsgeschützte, ideelle und politische Zielsetzungen, deren Umsetzung nicht nur im unternehmerisches Einzelinteresse erfolgt, sondern zugleich der Erfüllung eines generellen und schützenswerten Bedarfs der Allgemeinheit dienen.
Vorliegend hatte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Inhalt des § 118 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses in ihrem Unternehmen abgelehnt und sich auf den nach ihrer Auffassung gegebenen Tendenzcharakter Ihres Unternehmens berufen. Der von ihr betriebene Blutspendedienst diene unmittelbar einer karitativen Zwecksetzung.
Während das erstinstanzlich mit der Klärung dieser Rechtsfrage befasste Arbeitsgericht der Auffassung der Beschwerdeführerin entgegentrat und einen Tendenzschutz nach § 118 BetrVG verneinte, erachtete das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Blutspendedienstes die Merkmale eines Tendenzunternehmens als gegeben an. In dritter Instanz schloss sich das Bundesarbeitsgericht seinerseits der Meinung des Arbeitsgerichts an: Der Blutspendedienst habe keinen tendenzgeschützten Charakter, weil er keine unmittelbar karitative Zwecksetzung verfolge. Diese sei nur dann anzunehmen, wenn sich die Zielsetzung des jeweiligen Unternehmens oder Betriebs unmittelbar auf die Hilfe an leidenden oder hilfsbedürftigen Menschen fokussiere, was bei einem Blutspendedienst mit der vorstehend beschriebenen Ausrichtung jedoch nicht der Fall sei (vgl. hierzu BAG, Beschluss v. 22.05.2012, Aktenzeichen: 1 ABR 7/11).
Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr innerhalb seiner Entscheidung abschließend klargestellt, wann eine ebensolche unmittelbare und überwiegende Zweckzuordnung des Betriebs zu einer karitativen Bestimmung anzunehmen ist und damit zugleich die bereits von Seiten des Bundesarbeitsgerichts vorgegebene rote „Rechtsprechungslinie“ bekräftigt. Nach dem Dafürhalten des Gerichts ist § 118 BetrVG eine eng zu interpretierende Vorschrift mit Ausnahmecharakter. Der Tendenzschutz eines Unternehmens oder eines Betriebs wegen einer unmittelbaren und überwiegend karitativen Zielsetzung im Umfang des § 118 BetrVG besteht nach übereinstimmender Auffassung des BAG und des BVerfG nur dann, wenn das Unternehmen den sozialen Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel hat, auf Abwehr, Heilung oder Milderung seelischer oder körperlicher Nöte des Einzelnen gerichtet ist, die Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt und der Unternehmer nicht ohnehin von Gesetzes wegen zu derartigen Hilfeleistungen verpflichtet ist. Das Prinzip der Nächstenliebe muss sich durch die Unternehmenstätigkeit direkt gegenüber den Hilfsbedürftigen verwirklichen.
Nach Auffassung beider Gerichte trifft dies für einen kommerziell agierenden Blutspendedienst nicht zu, auch nicht, wenn der Rechtsträger einer solchen Unternehmung als gemeinnützig anerkannt ist und sich der Beachtung internationaler Standards des „Roten Kreuzes“ verpflichtet hat.
Rechtsanwältin Franziska K. Grafe
Veröffentlicht am 30. Juni 2015
Bundesarbeitsgericht: Ist das massenweise Erstellen von Raubkopien während des Dienstes ein Kündigungsgrund?
Terminsvorschau des BAG: Am 16. Juli 2015 verhandelt der 2. Senat über eine Revision des Landes Sachsen-Anhalt gegen einen bei ihm beschäftigten IT-Techniker, der seine Dienstzeit im OLG Naumburg gut zu nutzen wusste. Aktenzeichen 2 AZR 85/15.
Am 26. Juli 2015 muss das Bundesarbeitsgericht darüber entscheiden, ob das Erstellen von Raubkopien während der Arbeitszeit als Grund für eine fristlose Kündigung ausreicht.
Der Fall ist – leider – symptomatisch für verhaltensbedingte Kündigungsszenarien innerhalb des Öffentlichen Dienstes: Einzelne (natürlich nicht alle) Arbeitnehmer nutzen nicht nur die Arbeitszeit um anderes zu tun als das, wofür sie bezahlt werden. Sie missbrauchen auch weitere Ressourcen des Arbeitgebers. Andere – also Kollegen im weiteren Sinne bis hin zu den Vorgesetzten – schauen lange unbeteiligt zu oder beteiligen sich an dem, was evident nicht im Sinne des Arbeitgebers liegt. Dann fliegt die Sache irgendwann auf und es wird zögerlich gehandelt, halbherzig ermittelt und irgendwann, meist Monate später, fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt. Formfehler, versäumte Fristen und zurechtgezimmerte Sachverhaltsdarstellungen führen letztlich dazu, dass die Arbeitnehmer, die wirklich gekündigt gehören, bleiben dürfen. Im warmen Schoß des Öffentlichen Dienstes. Die Arbeitsgerichte können häufig nur die Scherben aufkehren und die Arbeitnehmer zurück an ihren Arbeitsplatz, den Tatort, lassen.
Genauso lief es auch im Fall des IT-Technikers im Oberlandesgericht Naumburg im Land Sachsen-Anhalt. Der Angestellte nutzte über Jahre hinweg seine Befugnis, IT-Zubehör zu bestellen, um unter anderen CD- und DVD-Rohlinge in Massen zu kaufen. Teilweise mit dienstlichem, teilweise mit privatem Gerät wurden dann tausende von Raubkopien von Musik-CDs, Film-DVDs und anderes hergestellt. Abnehmer waren neben Außenstehenden auch Kollegen, darunter auch Richter des OLG Naumburgs. Beteiligt an dem Job waren auch zwei verbeamtete Kollegen im Justizgebäude.
Eines Tages flog die Sache auf und dann „ermittelte“ die Justizverwaltung vor sich hin. Also ohne Eile. Schließlich wurde vor Ausspruch der fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB der Personalrat angehört und ihm mitgeteilt, was die Behörde sich inzwischen als Bild gemacht hatte. Die beiden Beamten ließ das Land in Ruhe, Disziplinarverfahren wurden nicht eingeleitet. Der IT-Mann hingegen wurde fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Halle und bekam Recht. Die Kündigungen waren unwirksam.
Die eingelegte Berufung zum Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt wurde zurückgewiesen. Das LAG stellt hierzu zutreffend fest: „Die rechtswidrige Verwendung von Betriebsmitteln – hier u. a.: Herstellung von Raubkopien unter Verwendung ausschließlich dienstlicher Betriebsmittel durch Bedienstete eines Gerichts – ist grundsätzlich ohne weiteres geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden.“ (Leitsatz 1 des Urteils vom 19.12.2014 – 4 Sa 10/14 – Juris). Soll heißen: Geht schon, muss nur richtig gemacht werden. In den weiteren, ausführlich begründeten Ausführungen des LAG wird dann auseinandergepflückt, was der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber alles vermasselt hat. Dass dies alles auf Kosten der Steuerzahler geht, macht die Sache nicht besser.
Die Revision wurde zugelassen, damit das Bundesarbeitsgericht einige grundsätzliche Rechtsfragen klären kann, darunter diejenige, wie sich die unterschiedliche Behandlung von (gemeinsam begangenen) Pflichtverletzungen durch Beamte und Angestellte auf die Verhältnismäßigkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers auswirkt.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer
Terminsvorschau des BAG – 16 Juli 2015
Veröffentlicht am 23. Juni 2015
Können „Scheinbewerber“ diskriminiert werden?
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2015 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Bewerber, der sich nur zum Schein bewirbt, eine Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung geltend machen kann. Aktenzeichen 8 AZR 848/13 (A), Pressemitteilung des BAG vom 18. Juni 2015.
Bei den in Deutschland vorkommenden Diskriminierungsopfern handelt es sich statistisch gesehen gehäuft um arbeitslose oder jedenfalls unausgelastete Juristen. So auch im vorliegenden Fall. Ein Rechtsanwalt, männlich und nicht mehr ganz frisch, bewarb sich bei einer Versicherung auf eine Trainee-Stelle. Die Versicherung hatte mehrere Stellen für ein auf ein Jahr befristetes Trainee-Programm in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Jura ausgeschrieben. Die Bewerber sollten unter anderem einen sehr guten Hochschulabschluss in einer der oben genannten Fachrichtungen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt, vorweisen.
Dies war bei dem Anwalt natürlich nicht der Fall – ein Scheinbewerber. Er bewarb sich und teilte ausschweifend mit, welche Berufserfahrung und Führungskenntnisse er vorweise. Das war der Versicherung egal, da er offenkundig nicht ins Profil passt. Er erhielt eine Absage. Postwendend meldete sich der Jurist und teilte mit, er sei – wegen seines Alters – diskriminiert worden. Er begehrte eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 14.000 Euro.
Die Versicherung trat die Flucht nach vorne an und bat den Anwalt zum Vorstellungsgespräch, was dieser jedoch von der zuvorigen Zahlung der Entschädigung abhängig machte. Es folgte ein bunter Rechtsstreit durch zahlreiche Instanzen: Vom Arbeitsgericht Wiesbaden zum LAG Hessen in Frankfurt, wobei beide den Anspruch wegen der nicht ernsthaften Bewerbung ablehnten. Eine Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht durch den klagenden Anwalt war erfolgreich. Die Sache wurde erneut an das LAG Hessen verwiesen, das die Berufung jedoch erneut ablehnte. Die zugelassene Revision landete – erneut – beim 8. Senat des BAG, der hierüber am 18. Juni 2015 den Beschluss fasste, die Sache durch den EuGH entscheiden zu lassen.
Das BAG meint, dass nach deutschem Recht auf Basis des AGG die Klage keinen Erfolg haben könne. Dies aber kollidiere möglicherweise mit dem Unionsrecht. Das BAG hierzu: „Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage.“
Diese Frage hat nun der EuGH zu klären.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer
Veröffentlicht am 19. Juni 2015
Wir gratulieren unserer Kollegin Silvia Sünnemann zum Titel "Fachanwältin für Erbrecht"
<p>Die Rechtsanwaltskammer Köln hat Frau Rechtsanwältin Silvia Sünnemann am 10. Juni 2015 den Titel Fachanwältin für Erbrecht verliehen. Das ganze HÜMMERICH legal Team gratuliert ihr herzlich!</p>
<p>Rechtsanwältin Sünnemann ist damit das vierte Mitglied unseres Erbrechtsteams, das den Titel „Fachanwältin/Fachanwalt für Erbrecht“ führen darf. Die weiteren Fachanwälte für Erbrecht unseres Teams sind Eberhard Rott, Joachim Hermes und Hansjörg Tamoj.</p>
<p>Veröffentlicht am 12. Juni 2015</p>